Götterdämmerung für Touristenmassen: Städte rüsten sich gegen zu viel Fremdenverkehr.
Menschenschlangen vor den Sehenswürdigkeiten, Staus in den Innenstädten, Gedränge in Restaurants und Hotels: In den Sommermonaten sind attraktive Destinationen wie Florenz, Barcelona oder Wien gut gefüllt – um es höflich auszudrücken. In vielen Städten sind die Touristenmassen bereits zu einem echten Problem geworden. Nun wird unter dem Schlagwort „Overtourism“ eine Diskussion geführt, wie man diese Massen besser lenken oder sogar eindämmen kann. Denn mit steigendem Wohlstand in Ländern wie China und der immer weiter steigenden Reiselust wird sich das Problem in den kommenden Jahren mit Sicherheit verschärfen. In Rom kam es vor kurzem zu Handgreiflichkeiten zwischen Touristen, die sich um den besten Platz für ein Selfie am Trevi-Brunnen stritten. Auch bei den Touristikern selbst ist das Problem inzwischen als gravierend erkannt worden.
Bereits seit vielen Jahr ist Overtourism beispielsweise in Venedig ein Problem: Die Lagunenstadt mit nicht einmal 50.000 Einwohnern wird Jahr für Jahr von rund 30 Millionen Touristen besucht, so die Schätzungen. Vor allem die Massen, die täglich aus den Kreuzfahrschiffen in die Stadt strömen, um dann abends wieder in ihren Kabinen zu verschwinden, tragen dazu bei. Nun soll die Zahl dieser Schiffe reduziert werden, außerdem sollen sie nicht direkt bei Venedig ankern dürfen. Wie immer ist es aber schwierig, die Profiteure des Tourismus – etwa Restaurants, Hotels oder Anbieter von Ferienwohnungen – von Einschränkungen zu überzeugen.
Städte im Fokus
Auch Städte wie Barcelona, Amsterdam oder Florenz müssen den Spagat zwischen den Einnahmen aus dem Fremdenverkehr und steigendem Unmut der eigenen Bevölkerung schaffen. In Barcelona gab es sogar einen Anschlag auf einen Reisebus durch empörte Bewohner. Ein Problem in der spanischen Stadt sind auch die vielen Ferienwohnungen, die über Plattformen wie AirBnB vermittelt werden, wodurch sich die Zahl günstiger Unterkünfte drastisch erhöht hat. Ebenso tragen Billigflüge und günstige Busreisen zu einem stark wachsenden Städtetourismus bei.
Was macht Wien?
Wie sieht es in Wien aus? Die österreichische Hauptstadt wird von immerhin sieben Millionen Touristen jährlich besucht und eilt von Rekord zu Rekord. Noch sei das kein Problem, meint Norbert Kettner, Chef von Wien Tourismus, im Interview mit ORF Wien – aber natürlich sieht er dies aus Sicht des Tourismusmanagers. Tatsache ist, dass die Wiener City nicht nur durch Touristen, sondern auch durch deren Begleiterscheinungen wie Rikschas und Bussen für Stadtrundfahrten geprägt wird. Zunehmend verdrängen auch die typischen Souvenirläden kleineren Shops. Die Gefahr: Bestimmte Teile einer Stadt werden dann zu einer Art Disneyland und für die eigentlichen Bewohner unattraktiv.
Overtourism sei ein Symptom für schlechtes Tourismusmanagement, für Planlosigkeit der Städte und Ignoranz der Verantwortlichen – aber auch für Unverständnis für die Sorgen der Bevölkerung. Was beispielsweise in österreichische Skigemeinden seit vielen Jahren bekannt ist, trifft nun in viel größerem Ausmaß auf die Städte zu. Gegenmaßnahmen reichen nach Ansicht der Experten von Einschränkungen über höhere Preise bis zu einer Reduzierung der Nächtigungsmöglichkeiten. Am wichtigsten könnte aber sein, nicht jede Diskussion über Overtourism mit dem Argument der großen Umsätze, die Gäste ja zweifellos bringen, abzuwürgen. Schließlich sind wir ja alle auch Verursacher….
Weiterführende Infos:
- „Challenge of Overtourism“ (pdf, Oktober 2017)
- Übersicht über Tourismusproteste
- Website „We Hate tourism Tours“ (Portugal)