Xavier Desaulles, seit kurzem Generaldirektor der Adagio Aparthotels, spricht im Interview mit Reisekompass über die Situation am Reisemarkt, den Unterschied zu AirBnB und was Reisende heute erwarten.
Die Aparthotel-Kette Adagio ist auf Wachstumskurs: Die Idee einer Kombination aus Appartement und Hotelservice scheint bei Reisenden immer besser anzukommen. Das 2007 gegründete Unternehmen will bis 2024 auf 200 Aparthotels weltweit kommen, derzeit sind es rund 120. Seit Anfang Jänner ist Xavier Desaulles neuer Generaldirektor.
Reisekompass: Herr Desaulles, was erwarten Sie 2022 vom weltweiten Tourismusmarkt?
Xavier Desaulles: Wir sehen, dass der Trend zum Inlandstourismus stark zugenommen hat. Entdeckungstouren von Städten und Regionen der eigenen Heimat erfreuen sich großer Beliebtheit. So ist der Anteil unserer inländischen Gäste mit der COVID-19 Krise gestiegen und wir gehen davon aus, dass dieses hohe Niveau stabil bleiben wird. Außerdem sehen wir den Trend zu Slow Tourism. Das heißt: Gäste bleiben länger am selben Ort. Verstärkt hat sich auch der Wunsch nach Professionalität und Sicherheit. Mehr als 70 Prozent der Gäste, die über Plattformen privater Apartmentanbieter gebucht haben, geben an, dass sie bereit wären, gerne eine höhere Rate zu zahlen, um dafür die Garantie einer zertifizierten Unterkunft, die zusätzlich Hotelserviceleistungen bietet, zu bekommen. Das ist genau das, was Adagio bietet und auszeichnet.
Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen Adagio und anderen Anbietern, wie AirBnB?
Wir bieten die Freiheit, die Privatsphäre und die Großzügigkeit eines privaten Apartments mit dem Plus des Hotelservices und Public Areas, die auf Geselligkeit unserer Gäste ausgerichtet sind. Unser Team steht 7/24 zur Verfügung, es gibt ein köstliches Frühstücksangebot und viele weitere Dienstleitungen wie Reinigungs- und Wäscheservice, eigene Parkplätze, oft Fitness-Studios und manchmal ein Schwimmbad.
Die Tourismusbranche wurde durch die Pandemie stark in Mitleidenschaft gezogen. Welche Veränderungen wird es dadurch in den nächsten Jahren geben?
Da gibt es zum einen besondere Aufmerksamkeit für die Hygienebedingungen vor Ort. Dazu mehr Inlandsreisen: zum Beispiel innerhalb Europas, außerdem mehr Zeit mit der Familie bzw. Freunden. Und verstärktes Augenmerk auf Buchungsbedingungen, zum Beispiel im Hinblick auf gesundheitliche Einschränkungen
Adagio will bis 2022 mit mehreren Eröffnungen wachsen. Dies erscheint riskant, da die Reisebeschränkungen noch länger bestehen bleiben könnten.
Wir sind zuversichtlich, denn mehrere Faktoren bestätigen das Potenzial unseres Produkts. Wir konnten uns vor der fünften Welle rasch erholen, was die gute Widerstandsfähigkeit der Aparthotelbranche bestätigt. Daher glauben wir, dass im Frühjahr, wenn die Beschränkungen schrittweise aufgehoben werden, die Aktivitäten wieder an Fahrt gewinnen werden.
„Die Aktivitäten werden wieder an Fahrt gewinnen.“
Letztes Jahr hat Adagio sein Coliving-Konzept vorgestellt. Wie hat es sich entwickelt und was wird dieses Jahr passieren?
Das ist ein sehr innovatives Produkt, das auf drei Ebenen Privatsphäre und Interaktion vereint: Erstens auf der Ebene der Privatsphäre, also das eigene Zimmer. Zweitens auf der Ebene der Interaktion durch Gemeinschaftsräume und Public Areas. Und drittens auf der Ebene der Interaktion und Intimität, das sind die Gemeinschaftsräume innerhalb des eigenen Coliving-Apartments im Aparthotel.
Was bedeutet das konkret?
So können sich beispielsweise Arbeitskollegen im eigenen Wohnzimmer oder in der großen offenen Küche treffen, um zu diskutieren und zu arbeiten, und dann in die Public Area Bereiche gehen, um eine Partie Billard zu spielen oder einen Drink zu nehmen, während jeder ein eigenes privates Gästezimmer mit eigenem Bad und WC hat. Das ist auch hervorragend für Familien, die Platz und ein eigenes Apartment mit dem Vorzug eines Hotelservices suchen.
Wo wird das Konzept bereits umgesetzt?
Ein Coliving-Beispiel gibt es bereits im Adagio Paris Bercy, das in den kommenden Wochen eröffnen wird. Als nächstes kommt Coliving ins Adagio Bruxelles Grand Place und hält dann in neuen Projekten, die gerade in unterzeichnet werden, in Großbritannien Einzug.
Der Klimawandel wird nach der Pandemie für viele Reisende zum Hauptthema werden. Was wird Ihr Unternehmen in dieser Hinsicht tun?
Nachhaltiger Tourismus ist ein extrem wichtiges Thema, das wir sehr ernst nehmen. Die zentrale Herausforderung ist das Klima, aber es gibt viele globale Herausforderungen, die alle am Ende mit allen CSR-Themen verbunden sind (Corporate Social Responsibility, Anm. d. Red.). Als Europas führender Hotel- und Immobilienbetreiber haben wir die Pflicht zu handeln und fortschrittlich zu agieren, um die urbane Umwelt zu erhalten. Für das Jahr 2022 haben wir uns drei konkrete Ziele gesetzt: Erstens Menschen eine Obhut zu geben, die sich in sozialen Schwierigkeiten befinden. Hier arbeiten wir mit sozialen Organisationen und staatlichen Einrichtungen zusammen. Zweitens die Unterstützung und Förderung der lokalen Wirtschaft – insbesondere, indem wir lokale Produkte in unseren Shops anbieten. Und drittens das ökologische Ziel, konkret eine Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs pro Wohnung auf 5 Prozent bis 2023.
Was erwarten Sie vom österreichischen Markt? Wird es neue Aparthotels in Österreich geben?
Der österreichische Markt interessiert uns sehr und unser Adagio-Standort in Wien ist sehr erfolgreich. Es gibt bereits einige Ideen, jedoch ist es im Moment noch zu früh, um darüber zu sprechen.
Zur Person Xavier Desaulles
Xavier Desaulles ist seit Anfang dieses Jahres neuer Generaldirektor der Aparthotels Adagio. Der Absolvent der HEC Paris und der Wirtschaftsuniversität Insead war zuletzt CEO von Club Med im asiatisch-pazifischen Raum. Desaulles soll die Expansion der Aparthotels vorantreiben. Aktionäre des Joint Ventures sind Accor und Pierres & Vacances Center Parcs.
Service für Hundebesitzer
Ein interessanter Aspekt für Hundebesitzer bei Adagio Aparthotels ist das „Pets Offer“. Der Hintergrund: 65 Prozent der Reisenden, die Haustiere haben, möchten mit ihnen reisen. „Daher haben wir eigene Pet’s Corner an der Rezeption mit Napf, es gibt verschiedenes Futter in unseren Shops und Ausstattung in der Bibliothek der Dinge“, erläutert Desaulles. Als Aufpreis für ein Haustier werden 6 Euro pro Nacht bei einem Aufenthalt von ein bis drei Nächten verrechnet ; bei längeren Aufenthalten sinkt dieser Unkostenbeitrag.
Foto ganz oben: Aparthotel Adagio in Casablanca (Foto @ Abaca Press Baptiste de Ville dAvray)
