Welche Impfung für welches Land? Was brauche ich für die Reiseapotheke? Wenn es um die Gesundheit auf Reisen geht, sind wir oft überfordert. Ursula Hollenstein ist Expertin für Reisemedizin und erklärt im Interview, worauf wir wirklich achten sollten.

Zur Planung einer Fernreise zählen nicht nur Auswahl der Hotels und Buchung der Flüge, sondern auch Impfungen: Für viele Länder sind Impfungen notwendig, damit man gesund heimkommt. Doch einfach nach Listen aus dem Internet vorzugehen oder sich wahllos jede Impfung verabreichen zu lassen, ist nicht zielführend. Im Interview mit Reisekompass erläutert Ursula Hollenstein vom Reisemedizinischen Zentrum Traveldoc in Wien, welche Impfungen wirklich sinnvoll sind, was Reisende bei der Zusammenstellung ihrer Apotheke beachten sollten und weshalb Malaria nicht zu unterschätzen ist.

Reisekompass: Je nach Reiseziel gibt es Empfehlungen für bestimmte Impfungen. Sollte sich jeder Reisende individuell beraten lassen oder reicht ein Blick auf Ländertabellen?

Reisemedizin
Ursula Hollenstein von Traveldoc (Foto beigestellt)

Ursula Hollenstein: Ländertabellen sind eine hilfreiche Unterstützung, vor allem für Ärztinnen und Ärzte, die nicht so viel Erfahrung im Bereich Reisemedizin haben. Sie geben die Sicherheit, nichts übersehen zu haben.Notgedrungen sind solche Listen aber natürlich umfassend, enthalten also alles, was irgendwo im Reiseland ein Problem sein kann. Sehr häufig beschränkt sich aber die eigene geplante Reise auf Teile dieser Länder, die eventuell viele dieser medizinischen Probleme gar nicht haben. Hier kann eine fundierte Beratung durch Experten auch Geld sparen helfen.

Dengue-Fieber bereitet derzeit vielen Reisenden Kopfzerbrechen – gibt es da Ihrerseits Empfehlungen?

Durch seine große Verbreitung und auch Häufigkeit ist Dengue bei vielen Reisedestinationen ein wichtiges Thema. Die Erkrankung ist zwar in den allermeisten Fällen selbstheilend, macht aber äußerst unangenehme Symptome und ein schweres Krankheitsgefühl. Die einzige Möglichkeit, sich zu schützen besteht in konsequentem Mückenschutz, dessen Wichtigkeit nicht oft genug betont werden kann. Eine Kombination aus Repellentien für die freien Hautstellen und Imprägnierung der Kleidung mit Bifenthrin bietet eine gute Schutzwirkung.

„Eine potenziell tödliche Erkrankung“

Die Gefahr von Malaria wird vor allem von Vielreisenden beziehungsweise Personen, die sich davor länger in gewissen Gebieten aufgehalten haben, bisweilen unterschätzt. Was raten Sie als Expertin für Reisemedizin?

Malaria darf nicht unterschätzt werden. Sie ist weiterhin eine schwere, potenziell tödliche Erkrankung. Sie ist behandelbar, aber nur, wenn man die allersten Anzeichen nicht übersieht und rechtzeitig mit der Therapie beginnt. Das Thema darf daher in keine Reiseberatung fehlen, wenn ein Malariagebiet bereist wird. Da es zu dieser Erkrankung und möglichen Vorsorgemaßnahme erschreckend viel Unfug in Foren, Webseiten und von wohlmeinenden Freunden gibt, ist hier eine Fachspezifische Beratung besonders wichtig.

Reisemedizin
Malaria wird durch Stechmücken übertragen (Foto: Bild von 41330 auf Pixabay)

Influenza-Impfungen sind in Österreich für die Wintermonate weit verbreitet. Macht es Sinn, sich für Reisen in bestimmte Länder auch zu anderen Jahreszeiten dagegen zu schützen?

Es würde durchaus Sinn machen, da die Südhalbkugel ja eine andere Influenzasaison hat als wir und in den tropischen Zonen Influenza eine ganzjährige Erkrankung ist. Leider sind die Influenzaimpfstoff außerhalb unserer Grippesaison nicht erhältlich und die Impfstoffe für die Südhalbkugel gibt es in Europa gar nicht – und zwar trotz langjähriger Bemühungen der Reisemediziner.

Masernimpfungen sind derzeit ein aktuelles Thema. Weisen Sie bei der Erstellung von Impfplänen für Reisen auch gleich auf Masern hin?

Laut österreichischem Impfplan soll jeder Arztkontakt dazu genützt werden, die Standardimpfungen zu kontrollieren. Das gilt natürlich und sogar besonders für unsere Ordination. Wir überprüfen beim Erstellen einer Impfempfehlung zuerst die Standardimpfungen und dazu gehören die Masern. Dann gehen wir zu den speziellen, eventuell zusätzlich nötigen Impfungen.

Stichwort Reisemedizin: Da gibt es einerseits Reisende, die 1 oder 2 Kilogramm Medikamente mitschleppen, andererseits solche, die nur das Allernötigste dabei haben. Was ist Ihre generelle Empfehlung für die Zusammenstellung einer Reiseapotheke?

Wir bemühen uns, die Reisenden zu einem sinnvollen Mindestmaß zu überreden, denn eine riesige Reiseapotheke beinhaltet auch Risiken. Dazu zählen Nebenwirkungen, mögliche Wechselwirkungen, falscher Einsatz und ähnliches. Zum Zusammenstellen einer Reiseapotheke gehört unbedingt eine Besprechung jedes einzelnen Medikaments, seine Einsatzmöglichkeiten, Erklärung der Symptome, bei denen gehandelt werden soll, und auch Besprechung der Gefahrenzeichen, bei denen Selbstmedikation nicht sinnvoll ist.

Zur Person: Univ.Doz. Dr. Ursula Hollenstein ist Fachärztin für Innere Medizin (Zusatzfach für Infektiologie und Tropenmedizin) und ehemalige Oberärztin an der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Abt. für Infektiologie / AKH Wien). Sie leitet das Zentrum Traveldoc gemeinsam mit Dr. Georg Stühlinger.

Link: Beim Reisemedizinischen Zentrum Traveldoc in Wien können sich Reisende über die notwendigen Impfungen und andere Themen rund um die Gesundheit beraten lassen.

Bild ganz oben von  Sergey Pesterev