Die Presseberichte über die Tutanchamun-Ausstellung in Wien sind positiv. Wir haben uns angesehen, ob zu Recht.
Wer an die Geschichte Ägyptens denkt, hat oft die Totenmaske von Tutanchamun im Kopf. Kein Wunder: Der als Pharao relativ unbedeutende Herrscher ist aber für die Forschung von Bedeutung, weil sein Grab samt kostbarer Grabbeigaben unbeschädigt und von Grabräubern weitgehend unzerstört vor mehr als hundert Jahren gefunden wurde. Der Brite Howard Carter entdeckte sein Grab und löste damals einen regelrechten Medienhype aus.
Einen deutlich kleineren, aber immerhin dennoch erstaunlichen Hype in den Medien löst nun eine Tutenchamun-Ausstellung in Wien aus, die als „immersiv“ beschrieben wird. Wie das etwa auch bei solchen Ausstellung zu Frida Kahlo oder Vincent Van Gogh der Fall ist, soll man sich mithilfe multimedialer Eindrücke ein Bild vom Leben des Pharaos verschaffen können. Sehen wir uns die Artikel in österreichischen Medien an, wird fast ausschließlich positiv berichtet; teils sogar überschwänglich. Ein Blick auf die Bewertungen der Ausstellung in Hamburg bei Tripadvisor hingegen zeigt, dass Besucherinnen und Besucher größtenteils nicht begeistert waren, teils gibt es sogar harsche Kritik. Aber weshalb wurde dann die Ausstellung nochmals bis 17. März 2024 (Stand: 17. Jänner) verlängert? Das Interesse ist jedenfalls groß.
Tutanchamun-Ausstellung in Wien / St. Marx
Wir von Reisekompass haben uns die Ausstellung in Wien angesehen, die in einer Halle in St. Marx in Wien stattfindet – einem Gebiet, das früher für den Fleischhandel bekannt war und heute vorwiegend von Medienfirmen sowie für Events genutzt wird. Der erste Eindruck: Das könnte besser organisiert sein. Im engen Eingangsbereich warten schon gut zwei Dutzend Besucherinnen und Besucher, bis ihr „Timeslot“ – die vorgegebene Eintrittszeit laut Ticket – da ist. Wir müssen noch etwas warten; die Jacken müssen wir anlassen, denn die Gardarobenkästchen sind defekt oder belegt.
Dann geht es nach drinnen, wir zwängen uns mit gut 20 anderen in den ersten Raum, wo Tafeln mit Informationstexten, Grafiken und Bildern über das Leben des Pharaos und allgemein über das alte Ägypten warten. Von der Decke baumelt eines Sarkophargs. Wirklich erfahren wir nicht, vor jeder Tafel herrscht Gedränge und die Texte sind zu klein. Wir schwimmen mit der Masse in den nächsten Raum, wo in einigen Glasvitrinen vor allem Nachbildungen von Grabbeigaben sowie eine Nachbildung der bekannten Totenmaske des Tutanchamun auf uns warten. Wir denken an die kleine, aber feine Ausstellung „echter“ Gegenstände der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums Wien und können nur hoffen, dass jetzt der immersive Teil der Schau beginnt.
Tatsächlich ist es im nächsten Raum soweit: Wie von anderen Immersiv-Attraktionen gewohnt, werden Videos und Bilder auf alle Wände eines großen Raums projiziert, wo wir uns auf Sitzwürfel setzen; angesichts des Besucheransturms müssen viele aber stehen oder setzen sich auf den Boden. Die Vorführung beginnt mit einer Erklärung, welche Aufregung der Fund 1922 auslöste. Kein Wort über die spätere Einschätzung von Wissenschaftlern, dass Carter viel zerstört hatte. Es folgt eine wahre Flut an Bildern: Tutanchamun auf dem Pferd, Skarabäen tanzen über den Boden, natürlich dürfen die Pyramiden und der Nil nicht fehlen. Es gibt so gut wie nichts Wissenswertes, keine Fakten, sondern einfach eine lose Abfolge bunter, greller Sujets. Glühende Augen sollen für Gruseleffekte sorgen, immer wieder werden uns bedeutungsschwangere, aber sinnentleerte Floskeln an den Kopf geworfen. Eine Animation, die man mit Gratisprogrammen am PC wohl ähnlich erstellen könnte.
Schleife des Grauens
Es ist überstanden, die erwähnte Sequenz über den Grabfund zeigt uns, dass die Endlosschleife des Grauens von vorne beginnt. Wir verlassen den Raum, davor haben sich schon zwei Schlangen gebildet: Links geht es zu VR, rechts zu AI. Am Plan, der den Ablauf der „Ausstellung“ erklären soll, würden wohl sogar gefinkelte Grabräuber scheitern. Wir entscheiden uns für die VR-Brillen, schon nach zehn Minuten Wartezeit dürfen wir ran. Die VR-Animation, die wir über die (zuvor nicht gesäuberte) VR-Brille erleben dürfen, löst leider ebenfalls keinen Wissensschub in Sachen Altägypten aus, dafür Schwindel: Der verpixelte Flug über Nil, Pyramiden und Vulkane sieht aus, als hätte ein Marvel-Fan mit zu viel Tagesfreizeit mal eben im Home Office einen kleinen Animationsfilm erstellt. Wohin wir per VR fliegen, erschließt sich nicht; die wilde Reise ist aber zum Glück rasch vorüber.
Etwas betäubt, wollen wir die Ausstellung zu Ende bringen. Doch wie wir in den anderen, verbleibenden Raum gelangen könnten, erschließt sich uns nicht, daher schlendern wir in den nächsten Raum, wo ein kleines Buffet nochmals zur Geldausgabe verleiten soll. Es folgt der obligatorische Shop mit allerlei Dingen, die entfernt mit Pharaos und verwandten Themen zu tun haben. Danach geht es wieder nach draußen, wo uns die nächste Welle an Besuchern entgegenkommt.
Fazit zur Ausstellung
Was bleibt, ist das Gefühl, Zeit und Geld vergeudet zu haben: Eine halbe Stunde Wikipedia und wenige Minuten Bildersuche mit Google hätten es auch getan. Wir wundern uns nur, wie die positiven Medienberichte entstanden sind …
Foto oben: AXP Photography via Unsplash